Projekt "Erweiterung der NABU Streuobstwiese"

  

Endlich ist es soweit

Graphik: NABU Büttelborn [ck]
Graphik: NABU Büttelborn [ck]

Der NABU Büttelborn hat lange mit einem solchen Projekt geliebäugelt, aber nun ist es doch wahr geworden. Dank der maßgeblichen Initiative und Mithilfe der Grundstückseigentümer des südlich angrenzenden Flurstückes (glücklicherweise auch eine sehr aktive NABU Mitgliedsfamilie), gelang es Mitte 2021, den bestehenden Pachtvertrag mit den langjährigen Pächtern zu beenden, sodass die bisher konventionell genutzte Ackerfläche im Spätherbst 2021 dem NABU, sowie der Eigentümerfamilie für Naturschutz-Zwecke zur Verfügung stehen wird. 

 

Es sind insgesamt ca. ein Hektar bisheriger Ackerfläche, von der der NABU rund 75% als neue Streuobstwiese ausgestalten wird, die restlichen 25% werden von der Eigentümerfamilie in gleicher Weise ökologisch wertvoll umgewandelt.

 

Darüber hinaus wird es noch rund einen halben Hektar Fläche geben, dessen endgültige Nutzung derzeit noch nicht festgelegt ist (NABU Projektfläche). Bisherige Ideen sind eine mehrjährige Blühfläche und/oder eine Teil-Nutzung als ökologisch bewirtschaftete Gemüsebeete o.ä.

Aber es  gibt auch einen Wermutstropfen

Foto: pixabay
Foto: pixabay

Leider hat sich im Frühjahr 2021 herausgestellt, dass der bisherige Pächter die Fläche mit Zuckerrüben bestellt hat, was ja an sich noch nicht wirklich gravierend ist. Gravierend ist jedoch die Tatsache, dass diese Zuckerrüben - laut Aussagen des bisherigen Pächters - als sog. "gebeiztes Saatgut" ausgebracht wurden, für die es in einigen Gebieten der Bundesrepublik eine sog. "Notfallzulassung" gab. Dieses Saatgut ist mit einem Insektenschutzmittel auf Neonicotinoid-Basis behandelt, das in der EU seit ein paar Jahren zwar verboten ist, aber eben via "Notfallzulassung" in bestimmten Fällen doch eingesetzt werden darf. Der hochtoxische Wirkstoff heißt Thiamethoxam und gilt als extrem tödlich für Insekten. Dazu zählen natürlich auch alle Honigbienen und Hummeln.

Foto: pixabay
Foto: pixabay

Nun könnte man zwar entgegnen, dass Landwirte, die diese "Notfallzulassung" des Saatgutes in Anspruch nahmen, auch Regeln und Vorsichtsmaßnahmen zu befolgen haben, aber eine diese Regeln besagt u.a., dass auf der genutzten Fläche auch in der nächsten Vegetationsperiode (also das gesamte Jahr 2022) keine Pflanzen zum blühen gebracht werden dürfen.

 

Das heißt im Klartext: sämtliche Blütenpflanzen oder Ackerbeikräuter die auf der Fläche in 2022 auflaufen würden, müssen abgemäht werden. Nichts darf blühen, um Bienen oder andere Insekten nicht zu gefährden. Also wundern Sie sich bittet nicht, wenn sie im Jahr 2022 NABU Mitglieder sehen werden, die - sehr schweren Herzens - jegliche aufkommende Blütenbildung auf der Wiese oder den jungen Bäumen unterbinden.

 

Ein wirklich bitteres Erbe das der NABU hier antreten muss. Aber eben auch eine sehr anschauliche und langfristige "Nebenwirkung" einer extrem auf Ertrag ausgerichteten Landwirtschaft, für die wir als Verbraucher letztendlich alle die Verantwortung in den Händen tragen.

Das zukünftige Projekt

Edelkastanie (Foto: pixabay)
Edelkastanie (Foto: pixabay)

Die neue Streuobstwiese wird eine noch größere Sorten- und Artenvielfalt haben als die bisherige ohnehin schon hatte. Das liegt daran, dass der NABU darauf geachtet hat, sehr unterschiedliche Pflanzen auszuwählen, um zum einen ein breites Spektrum an Artenvielfalt zu ermöglichen, und zum anderen eine möglichst lange und divergierende Blühphase für Insekten sicher zu stellen. 

 

So wird es bald Edelkastanien geben oder auch "Exoten" wie die Maulbeere oder verschiedene Pfirsiche.

 

Das alles soll zukünftig noch auf der Streuobstwiese wachsen & gedeihen

Süßmandel (Foto: pixbay)
Süßmandel (Foto: pixbay)

Selbstverständlich wurde auch darauf geachtet, den kulinarischen Gesichtspunkt nicht außer Acht zu lassen, und in eine paar Jahren dürfen wir uns dann hoffentlich auch über Süßmandeln, oder Äpfel mit klangvollen Namen wie "Kaiser Wilhelm", "Prinz von Preußen" oder "Königlicher Kurzstiel" freuen.

 

Viel Wert wurde auch drauf gelegt, die Vielfalt der Birnensorten zu erhöhen. So werden z.B. Sorten wie "Doppelte Phillips Birne" oder "Nordhäuser Winterforelle" gepflanzt .

 

Insgesamt sollen auf den beiden neuen Streuobst-Flächen rund 100 verschiedene hochstämmige Bäume ihren Platz finden. Hinzukommen werden außerdem geeignete Heckenstreifen, die den Wildtieren der Streuobstwiese zusätzliche Nahrungsgrundlagen schaffen und auch die notwendigen Rückzugsmöglichkeiten bieten.

Unterstützung von Büttelborner Bürgern, dem SKV Büttelborn und der öffentlichen Hand

Foto: pixabay
Foto: pixabay

Eines vorweg: ein Projekt dieses Ausmaßes wäre für eine relativ kleine NABU Gruppe aus Eigenmitteln finanziell gar nicht realisierbar gewesen.

 

Daher haben ein Zuschuss des Kreises Groß -Gerau für "Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege", sowie eine Aktion des SKV Büttelborn im Rahmen des 75-jährigen Jubiläums des Sportvereins ("75 Jahre - 75 Bäume"), die Erweiterung der Streuobstwiese finanziell erst ermöglicht. Bei dieser Jubiläums-Aktion des SKV, konnten die schnellsten 75 Bürger je einen Obsthochstamm für den NABU Büttelborn spenden. 

Die konkrete Umsetzung beginnt

Ende November waren die Zuckerrüben (endlich) abgeerntet und türmten sich auf einem großen Haufen am Rande des Ackers. Nun konnte es also endlich losgehen mit der konkreten Umsetzung des Projektes „Streuobstwiesen-Erweiterung“.

 

Der Baumschutz gegen Wildverbiss wurde vorbereitet (wir probierten aus, ob sich Baumschutz auch ohne Plastik realisieren ließe und haben eine umweltfreundliche Alternative eingesetzt), der Rohboden musste leider für die Pflanzaktion einmal von uns selbst grob gefräst werden, das Gelände wurde von uns vermessen und die Pflanzstellen mit den Stützpfählen markiert. Dann konnte der Erdbohrer bestellt werden. Das maschinelle Bohren der Pflanzlöcher bedeutete eine große Arbeitserleichterung, denn der bisher konventionelle und intensiv genutzte Acker war sehr verdichtet, sodass ein manuelles „Löcher graben“ kaum machbar gewesen wäre. 

Regenwurm (Foto: G. Kleinschrodt [naturgucker.de])
Regenwurm (Foto: G. Kleinschrodt [naturgucker.de])

Erschütternd für uns war die Tatsache, dass sich in dem Oberboden des bisherigen Zuckerrübenackers keinerlei sichtbares Leben zeigte - es war fast kein Regenwurm zu finden! Dabei erkannte bereits Charles Darwin die herausragende Bedeutung der Regenwürmer für ein intaktes Bodenökosystem. 

 

Regenwürmer lockern den Boden und mischen gleichzeitig organische Substanz in den Boden ein. Sie zählen mit zu den wichtigsten Verbündeten einer nachhaltigen Landwirtschaft. Durch ihre Tätigkeit hinterlassen bis zu 5 mm dicke Röhren, die auch für die Durchlüftung und Drainage des Bodens wichtig sind und das Wachstum von Pflanzenwurzeln besonders in verdichtetem Boden erleichtern. Böden mit einer hohen Regenwurmdichte nehmen deutlich mehr Wasser auf und sind ein natürlicher Beitrag zum vorbeugenden Hochwasserschutz.

 

Wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren die Population an Regenwürmern und sonstigen kleinen Helfer im Boden durch unsere ökologische Bodennutzung sehr deutlich verbessern wird.

Foto: NABU Büttelborn [ck]
Foto: NABU Büttelborn [ck]

Am dritten Adventswochenende 2021 war es dann so weit: die Pflanzaktion zusammen mit einigen Baum-Spendern der SKV Büttelborn konnte beginnen.

 

Die Bäume wurden von zwei gut sortierten Baumschulen aus dem Kreis Groß-Gerau geliefert. Gleich anschließend wurden sie von uns fachkundig im Bereich der Baumkrone und an den Wurzeln geschnitten (das erleichtert den jungen Bäumen durch reduzierte Verdunstung und angeregtes Wurzelwachstum das Anwachsen). Sortiert und nummeriert warteten die vielen Bäume dann darauf, auf der neuen Streuobstwiese eingepflanzt zu werden.

Vielleicht einer der jüngsten Baum-Spender (Foto: NABU Büttelborn [ck])
Vielleicht einer der jüngsten Baum-Spender (Foto: NABU Büttelborn [ck])

Mit Hilfe der zahlreichen Helfer des SKV und bei außerordentlich freundlichem Wetter ging das eigentliche Pflanzen am 11.12. dann recht schnell an einem Tag über die Bühne.

 

Nun hoffen wir alle, dass die jungen Obstbäume alle gut über ihren ersten Winter auf der Streuobstwiese kommen und problemlos anwachsen.  

Die Sponsoren

Der NABU Büttelborn bedankt sich ganz herzlich bei all den Unterstützern für ihr finanzielles und teils tatkräftiges Engagement und freut sich, unserer Kulturlandschaft hiermit wieder ein kleines Stückchen "Natur" zurückzugeben. [ck 12/21]

Jubiläums-Aktion des SKV Büttelborn (Quelle: SKV homepage)
Jubiläums-Aktion des SKV Büttelborn (Quelle: SKV homepage)
Logo des Kreises Groß-Gerau (Quelle. Kreis GG homepage)
Logo des Kreises Groß-Gerau (Quelle. Kreis GG homepage)

Foto: NABU Büttelborn [se]
Foto: NABU Büttelborn [se]

Das erste Jahr auf der Streuobstwiese (2022)

Das Reptilienbiotop am Rand der Streuobstwiese (Foto: NABU Büttelborn ck])
Das Reptilienbiotop am Rand der Streuobstwiese (Foto: NABU Büttelborn ck])

Es war eine anstrengende Zeit. Eine sehr anstrengende sogar. Wir alle hatten gehofft, dass uns die Natur zumindest im ersten Jahr wohlgesonnen ist und die neuen Bäumchen mit regelmäßigen Regengüssen verwöhnt – aber es kam bekanntlich ganz anders.

 

Und somit war es bereits im zeitigen Frühjahr 2022 notwendig, den Bäumen (die ja noch wenig Wurzeln haben) mit Wassergaben den Start zu erleichtern. Dafür hatten wir um die Baumscheiben Gießränder (kleine „Dämme“) gehackt, damit das kostbare Nass auch an den Wurzelraum kommt, und nicht nutzlos im Ackerboden ringsum verschwindet.

 

Und dann hieß es regelmäßig wässern. Und bei fast 100 neuen Bäumen bedeutete das eine sehr zeitraubende und anstrengende Arbeit. Zwar haben wir einen Wasser-Hydranten am Rand der Streuobstwiese, jedoch ist das östliche Ende der Streuobstwiese rund 250m weit davon entfernt und somit waren viele, sehr viele Schläuche und ordentlich Muskelkraft von Nöten. 

Unsere ehemaligen Messing Kupplungen (Foto: NABU Büttelborn [se])
Unsere ehemaligen Messing Kupplungen (Foto: NABU Büttelborn [se])

Tja, und dann mussten wir eines heißen Sommertages feststellen, dass uns die Verbindungsstücke aus Messing an den verlegten Bewässerungsschläuchen vom Acker gestohlen worden waren. Somit wurde die ohnehin schon zeitraubende Bewässerung noch viel aufwändiger.

 

Netterweise half uns in unserer Not sogar einmal die örtliche Feuerwehr Büttelborn mit ihren starken Pumpen und dicken Schläuchen. Danke auch dafür!

Helfer in der (Wasser-)Not: die  Büttelborner Feuerwehr (Foto: NABU Büttelborn [bo])
Helfer in der (Wasser-)Not: die Büttelborner Feuerwehr (Foto: NABU Büttelborn [bo])

Damit das kostbare Wasser in der Sommerhitze nicht so schnell verdunstet, bekamen sämtliche Baumscheiben und die neuen Heckenpflanzen noch jeweils einen „Kragen“ aus Stroh.

 

All die Mühen haben sich letztendlich wirklich gelohnt, denn trotz widriger Umstände ist es uns gelungen, fast alle neuen Bäumchen über den extrem trockenen und heißen Sommer zu bringen. Lediglich zwei der Bäume wurden im Spätherbst von uns ersetzt – sie hatten es leider doch nicht geschafft.

Mitunter etwas ungestüm, der Rehbock. (Foto: naturgucker.de [H. Germer])
Mitunter etwas ungestüm, der Rehbock. (Foto: naturgucker.de [H. Germer])

Und, als wollten sie uns dafür danken, haben einige der jungen Bäume sogar schon ein paar Früchte angesetzt. Vielversprechend finden wir…

 

Um das Anwachsen der neuen Bäume zu erleichtern, wurde jeweils um die empfindlichen Stämmchen eine Art Verbiss-Schutz gelegt.

Anfänglich aus einer Art Pappe, was sich jedoch leider als wenig bis gar nicht haltbar erwies, sodass wir gebrauchte und nicht mehr benötigte Kunststoff-Schutz Manschetten einsetzten. Danke dafür auch an den Förster.

 

Der manchmal ungestüme Rehbock auf der Wiese wird es uns hoffentlich nicht übelnehmen, dass wir ihn in seine Schranken verwiesen - unsere empfindlichen Stämmchen sind für ihn somit tabu.

Unserem Förster ist es auch zu verdanken, dass wir abgestorbene Douglasien Stämmchen bekommen konnten, die als Greifvogel-Ansitz (Julen) auf der neuen Wiese zur Mäusebekämpfung gute Dienste leisten. 

 

Möglicherweise ist der trockene Sommer 2022 auch dafür verantwortlich, dass die ausgesäte „Griesheimer Mischung*“ nicht so richtig keimen wollte. Stattdessen sind hauptsächlich unzählige Unkrautsamen – fast so als hätten sie schon Jahre darauf gewartet - aufgelaufen.

 

In Summe musste die Wiese daher sogar zwei mal maschinell gemulcht werden. Besonders in den neuen Heckenstreifen war es sehr mühsam, all der grünen Pracht aus Wildkräutern (Unechte Kamille, Amaranth, Melde, Ackerwinde usw.) Herr zu werden. Es hat sehr viel Schweiß erfordert, damit man von den kleinen neuen Heckenpflanzen überhaupt noch etwas erkennen konnte. 

Unechte Kamille (Foto: naturgucker.de [S. Mielke])
Unechte Kamille (Foto: naturgucker.de [S. Mielke])
Ackerwinde (Foto: naturgucker.de [R. Jantz])
Ackerwinde (Foto: naturgucker.de [R. Jantz])
Melde mit Marienkäfer-Nachwuchs (Foto: NABU Büttelborn [ch])
Melde mit Marienkäfer-Nachwuchs (Foto: NABU Büttelborn [ch])

Rebhuhn. Leider extrem selten geworden (Foto: naturgucker.de [F.P. Gröhl])
Rebhuhn. Leider extrem selten geworden (Foto: naturgucker.de [F.P. Gröhl])

In der Rückschau war es – trotz der vielen Mühe und Arbeit – ein schönes Jahr mit den neuen Obstbäumchen, dem neu angelegten Reptilien-Biotop und der zukünftigen Blühwiese, auf der sogar ein paarmal ein Rebhuhn Pärchen auf Nahrungssuche zu beobachten war.

 

Man kann also sagen: ein gewaltiger Unterschied zu dem öden Rübenacker vorher…[ck 01/23]

 

*= Die "Griesheimer Mischung" ist eine Saatmischung für Sandtrockenrasen mit typischen Arten der nördlichen Oberrheinebene bzw. dem Rhein-Main-Gebiet.