Zwei echte "Macher"...

Foto: pixabay
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Interview mit Charline und ihrem Vater Yoshi

 

Wenn beim NABU echte "Action" gefordert ist, sind sehr oft zwei wirklich nette Menschen dabei, die eigentlich gar nicht 'offiziell' beim NABU Bütteborn angesiedelt sind.

 

Was bewegt die beiden, sich freiwillig so zu engagieren - manchmal sogar so lange bis es (fast) wehtut? 

 

  

Foto: naturgucker.de [K. Ewald]
Foto: naturgucker.de [K. Ewald]

Redaktion: Ihr beiden, Charline und Yoshi, seid schon seit einigen Jahren stets bei der Vogelstimmenwanderung des NABU Büttelborn dabei. Was hatte euch anfänglich dazu animiert?

 

Charline: In der Zeitung hatte ich glaube ich von der Vogelstimmenwanderung in Büttelborn und Weiteren in der Umgebung erfahren. Bei jeder Exkursion hat man sich dann ein oder zwei Vogelstimmen mehr merken können. Das macht schon Spaß. Aber rundherum gibt es dann auch noch so viel anderes Spannendes (Pflanzen, Bäume, Insekten, unbelebte Natur……^^)

 

Yoshi: Mein erstes Interesse galt der Honigbienenhaltung für die Bestäubung.   Einmal hat Charline mich zu einer Vogelstimmenwanderung mitgenommen und ich war sehr begeistert davon, verschiedene Vogelarten unterscheiden zu lernen.

 

Danach hatte jeder von uns eigene Interessen für die Natur entwickelt, obwohl wir manchmal zufällig zusammen sind.

Redaktion:  Wir beim NABU Büttelborn freuen uns im Herbst immer auf eure tatkräftige Mithilfe bei der Obsternte auf unserer Streuobstwiese. Ihr verwendet viele Stunden, um uns zu helfen, obwohl ihr kein Mitglied der Ortgruppe seid. Seid ihr etwa nur heimliche Liebhaber alter Obstsorten?

 

Charline: Die Arbeitseinsätze vom NABU-Bübo machen mega Spaß. Man lernt immer was Neues dazu und das Gemeinschaftsgefühl bei den Aktionen ist toll.

 

Yoshi: Wir haben Verwandte in Büttelborn deshalb sind wir oft dort und Charline hat früher beim Orchester Saxofon geübt. Büttelborn ist also kein fremder Ort für uns.

 

“An apple a day…..”   Alte Obstsorten sind so wichtig für unserer Gesundheit - mindestens so wichtig wie Kräuter.

 

Bei der Ortsgruppe Groß-Gerau ist die Arbeitsgruppe Streuobst in Aufbau. In dieser Arbeitsgruppe mache ich seit dem letzten Winter den Pflegeschnitt. Ich möchte die Verbindung zwischen alten Obstsorten und uns wiederherstellen.

Foto: Yoshi (privat)
Foto: Yoshi (privat)
Foto: pixabay
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Foto: NABU Büttelborn (mw)
Foto: NABU Büttelborn (mw)

Foto: Charline (privat)
Foto: Charline (privat)

Redaktion:  Charline, du hast vor ein paar Monaten dein Abitur gemeistert und absolvierst im Moment ein sog. „Freiwilliges Ökologisches Jahr“ (FÖJ). Wie bist du darauf gekommen?

 

Charline: Naja, eigentlich ist es schon 22 Monate her, dass ich mein Abi gemacht habe.^^ Ein FÖJ wollte ich gerne machen, da ich nächstes Jahr ein Studium im ökologischen Bereich anfangen möchte. Auf die Idee, beim NABU anzufragen haben mich meine Cousinen gebracht. Das fand ich eine gute Idee, da ich sowieso aktiver im NABU werden wollte. Nun bin ich dem NABU-GG sehr dankbar, dass das auch tatsächlich geklappt hat.

 

Redaktion:  Erzähle uns bitte ein bisschen mehr zum Thema FÖJ. Vielleicht gibt es Leser*innen, die so etwas auch gerne mal machen würden?

 

Charline: Im FÖJ bin ich zur Hälfte für die NABU-Gruppe-Groß-Gerau und zur Hälfte für den Kreisverband Groß-Gerau tätig. Beispielsweise aktualisiere ich die Homepage und lerne mit QGis, (einem Geoinfosystem) umzugehen. Auch in der NAJU helfe ich mit. Momentan finden zwar keine Gruppenstunden statt, aber wir haben ein Alternativ-Programm online gestellt.

 

Wer Interesse hat, kann sich hier gerne mal hier umschauen.

 

In der Grundschule habe ich letztens eine Unterrichtseinheit zur Haselmaus gegeben.

 

Am allermeisten Spaß machen mir aber die Arbeitseinsätze draußen, zum Beispiel in den Bruchwiesen.

Falls ihr noch mehr wissen möchtet, könnt ihr auch im Blog ab und an hier vorbeischauen.

Redaktion:  Naturschutz und Ökologie scheinen für euch beide eine Herzensangelegenheit zu sein. Hast du, Charline, auch schon Pläne für (d)eine berufliche Zukunft in dieser Richtung?

 

Charline: Nächstes Jahr möchte ich gerne ein Studium im Bereich Naturschutz beginnen. Mein Favorit ist dabei die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

Ich finde es super spannend, über ökologische Zusammenhänge zu lernen. Aber es zeigt auch jedes Mal, dass schon kleine Veränderungen, große Auswirkungen auf ein Ökosystem haben.

 

Später möchte ich gerne im aktiven Naturschutz arbeiten (nicht so gern in der Verwaltung^^)

 

Yoshi: Die Natur existiert außerhalb der Wirtschaft. Der Beruf ist für zwischen den Menschen, eine soziale Sache wie die Wirtschaft. Alle Berufe sind schön, jedoch sollte man bei allen Berufen die Natur respektieren. Natur = Leben 

 

Redaktion:  Ihr wohnt mit eurer Familie in der Nähe von Büttelborn. Was gefällt euch besonders an der Natur hier im Ried und was könnte man anders/besser gestalten?

 

Charline: Es ist praktisch, dass man recht schnell draußen aus der Stadt ist, obwohl wir uns mitten im Ballungsraum befinden. Allerdings finde ich es nachts sehr hell. Da kann man, auch wenn der Himmel nachts klar ist, trotzdem nicht so gut Sterne beobachten.

 

Yoshi: Mir gefällt, dass es vereinzelt Naturflächen in der Nähe von Wohngebieten gibt.  Es ist schön, dass der NABU die Informationen über die Natur verbreitet.

 

Es wäre auch gut, wenn es mehr Wälder gäbe, dann wäre die Luft besser. Wald ist die Basis für das Leben. Ich bin dafür, die Wälder wiederherzustellen - egal ob in kleinem oder großem Maßstab.

Foto: NABU Büttelborn [ck]
Foto: NABU Büttelborn [ck]

Redaktion:  Yoshi, Du kommst ja ursprünglich aus Japan. Unterscheidet sich aus eurer Wahrnehmung das Naturverständnis der Europäer von demjenigen der Japaner?

 

Yoshi: Japan befindet sich am Rand einer Erdplatte und ist aus vielen Vulkanausbrüchen entstanden. In der Geschichte Japans gab es viele große Erdbeben, Tsunami und Vulkanausbrüche. Das sind übermenschlich große Kräfte. Deshalb ist die Natur Gott. 

 

Man hat zu jeder Ortschaft ein kleines Häuschen im Wald und im Wohngebiet gebaut, als Symbol für den Sitz der Götter. Dort hat man bei Naturkatastrophen oder Unwetter für Ruhe gebeten. Die Natur ist zum Respektieren, in Ruhe, unberührt liegengelassen zu werden.

 

Auch bei der industriellen Entwicklung hat man solche Häuschen und den Wald rundum unberührt liegengelassen. 

 

Ich denke, Naturkatastrophen und Unwetter haben beeinflusst, wie Japaner über die Natur denken. Aber das hat dazu geführt, dass die Leute die Natur richtig sehen: die Natur als übermenschlich existierender Effekt, dem Leben.

 

Redaktion:  Japan ist vielen Europäern nicht sonderlich geläufig. Wie können wir uns Naturschutz in Japan vorstellen? Ist der Schutz von Natur und Umwelt in Japan auch ein zentrales Thema?

 

Charline: Vor ein paar Jahren habe ich mal an einem Workcamp zum Thema Naturschutz in Hokkaido teilgenommen. Dort haben wir auch einige Bäume gepflanzt. Die Förster dort haben erklärt, dass sie sich an der deutschen Forstwirtschaft orientieren und nach und nach den sturmgefährdeten Nadelwald in einen Mischwald umwandeln wollen.

 

Yoshi: In Japan gibt es beispielsweise Naturschutz für die Meeresschildkröten, die zum Eier legen an den Strand kommen. Es gibt viele (manchmal zu viele) Insekten, weil das Klima warm ist. Ein größeres Problem stellt die Invasion nicht einheimischer Tiere und Pflanzen dar.

 

Wälder neu aufzuforsten ist sehr verbreitet in Japan, da Wälder die Menschen bei verschiedenen Katastrophen schützten. Aufgrund des warmen Klimas in Japan, tragen viele Bäume das ganze Jahr über grüne Blätter. Eine Art kann viel Wasser in jedem Blatt speichern. Wenn man diesen Baum rund ums Haus (aus Holz) stehen hat, kann dieser Baum das Haus vor Feuer schützen, falls das Nachbarhaus brennt.  

 

Einheimische Bäume sind meistens Tiefwurzler. Diese Bäume sind beim großen Tsunami stehen geblieben. Andere Flachwurzler wurden hingegen weggewaschen.  

Foto: pixabay
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Redaktion:  Nicht zuletzt die Atomkatastrophe im Frühjahr 2011 im japanischen AKW Fukushima Daiichi hat dazu geführt, dass in der Bundesrepublik ein Ausstieg aus der Atomindustrie beschlossen wurde. Auch in der japanischen Bevölkerung scheint die Skepsis gegenüber der Atomwirtschaft und dem Betreiber von Fukushima (Tepco) ziemlich groß. Hat Japan aus der Katastrophe auch Konsequenzen gezogen?

 

Yoshi: Japan hat davon gelernt, dass auch bei der hohen Technologie zuerst über die Bedingungen für die Sicherheit entschieden wird, und darauf die sichere Konstruktion gerechnet wird. Ein großes Erdbeben, das alle 100 Jahre wiederkehren würde, war als Bedingung entschieden. Ein super-großes Erdbeben, das nur alle 1000 Jahren wiederkehren würde, wurde als unrealistisch und die Maßnahme dafür war als zu teuer eingestuft. Aber die Natur hat das super-großes Erdbeben von 1000 Jahren erlebt. Deshalb kritisiert man in Japan die Atomkraftwerk-Katastrophe als menschlich verursacht.

 

Nach dem Tsunami hat man mehrere Steine gefunden, die die Tsunamihöhe von vor 1000 Jahren als Monument dokumentiert hatten, aber solche alten Steine waren mit Moos bedeckt niemandem mehr bekannt. 

Foto: pixabay
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Redaktion:  Die „Fridays For Future“ Bewegung ist derzeit durch die Covid 19 Pandemie ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Die seht ihr das Thema? Tut die Politik und jeder einzelne Bürger genug, um dem offenkundigen Klimawandel zu entgegnen?

 

Charline: Naja… bei der Politik bin ich ein bisschen skeptisch…

 

Yoshi: Das Klimaproblem ist allseits bekannt. Die Lösungen sind auch schon bekannt – beispielsweise auf Autofahrten verzichten, Verpackung und Transport durch regionale Produkte zu minimieren…..  Also „Machen“ ist wichtig. 

 

An NABU Arbeitseinsätzen teilzunehmen ist eine gute Lösung. Das hat gleich mehrere gute Aspekte (Lokal, Freiwillig, Manuelle Arbeit, Eigener Wohnort).

Lokal : Meistens liegen die Arbeitsorte innerhalb von 1-2 km von der Wohnung entfernt, deshalb kann man einfach mit eigener Kraft hinkommen - ohne Auto. 

Freiwillig : In der Freizeit, ohne zeitlichen Druck, mit Spaß arbeiten. Freiwillige Arbeit ist außerhalb der Wirtschaft, deshalb verbindet sie uns direkt mit der Natur.

Manuelle Arbeit: Die ist in menschlicher Maße, deshalb setzt sie uns auf die gleiche Ebene wie das andere Lebewesen.

Eigener Wohnort: Jeder kümmert sich um die eigene Umgebung – das macht Sinn.

Foto: pixabay
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Redaktion:  Wenn ihr euch von der Politik etwas Dringendes wünschen könntet, das auch kurzfristig umsetzbar wäre, was wäre das?

 

Charline: Nicht immer nach Wachstum zu streben. Es ist glaube ich schwierig ständiges Wachstum mit Nachhaltigkeit zu vereinbaren. Lieber sollte mehr Rücksicht auf die Umwelt genommen werden. Umwelt ist ja nicht nur die Natur, sondern auch die Mitmenschen hier, aber auch auf anderen Erdteilen.

 

Yoshi: Beispielsweise die Ausweitung von Waldflächen anstatt steter Ausweitung von Wohngebietsflächen. Oder: Nicht denken, dass die Stadt nur den Menschen gehört und zu viel sauber zu machen. Und, den städtischen Wald auf das Naturschutzamt (für den Naturschutz) und das Forstamt (für die Wirtschaft) verteilen.

Redaktion:  Wie könnten wir innerhalb der Naturschutzverbände und Organisationen, Kinder und Jugendliche noch mehr für das Themen Natur sensibilisieren oder vielleicht sogar begeistern? Tut der NABU dafür genug? Könnte man aus eurer Sicht etwas verbessern?

 

Charline: Es macht immer sehr viel Spaß, selbst aktiv etwas draußen zu machen und dabei auch noch etwas zu lernen. Deshalb sind Arbeitseinsätze eine super Sache, glaube ich. Manche Dinge sind zwar mit einer Maschine schneller erledigt, aber machen viel mehr Spaß, wenn man sie händisch macht. Denn dann beschäftigt man sich mehr mit dem, was man tut und warum man es tut. Und man kann selbst etwas zum Naturschutz beitragen.  Auch Exkursionen sind immer sehr lehrreich und spannend.

Kinder haben glaube ich viel Spaß am „selber etwas ausprobieren“. Man kann sie begeistern, indem man ihnen bei Aktionen Freiraum lässt, die Natur auf ihre Weise zu erkunden. Jedes Kind tickt da etwas anders.

 

Yoshi: Auf Lebewesen in der Erde und im Wasser (z.B. Makrozoobenthos) und deren Verbindung mit dem oberirdischen Lebewesen aufmerksam machen. Zu Hause aus irgendeinem Zimmer die Kunststoffe eliminieren. Alte Obstsorten essen :-)

 

Charline: Ich habe aber auch noch eine allgemeine Frage:

Was ist Naturschutz eigentlich? Mir ist aufgefallen, dass jeder das ein bisschen anders interpretiert, Naturschutz also gar nicht so eine feste Definition hat. Denn es hängt auch immer davon ab, wie jemand Natur definiert. Oft scheint mir, ist es jedoch der Mensch, der die Natur gestaltet und entscheidet, wo Natur sein darf und wie sie auszusehen hat. Das finde ich paradox, wo ich doch bisher dachte, Natur ist das, wo der Mensch seine Finger nicht im Spiel hat… Was ist für euch Natur und wie definiert ihr Naturschutz?

  

Redaktion:  Charline und Yoshi, wir bedanken uns sehr herzlich für das nette Interview und freuen uns, wenn wir euch bald wieder auf der Obstwiese oder anderswo wiedersehen.

 

Und, Charline, über deine Frage zur Definition des "Naturschutzes" werden wir auch mal ganz intensiv nachdenken...[ck 11/20]