Der Biber ist ein Klimaschützer

Ein abendlicher Streifzug der NAJU Gruppe durch die Gemarkung Büttelborn

Die "Moorlöcher" (Foto: NABU Büttelborn [ch])
Die "Moorlöcher" (Foto: NABU Büttelborn [ch])

Eine kleine Rundtour durch die Büttelborner Gemarkung war - bei schönstem Wetter und angeleitet von unserem Vorsitzenden Dr. Matthias Werner - das Thema der Jugendgruppe am 25. März 2022 .

 

Der erste Stopp war schnell erreicht. Direkt an den "Moorlöchern" gab es schon vieles zu sehen und zu hören. Nahe am Ufer sonnte sich eine Rotwangenschmuckschildkröte, die bei uns leider nicht heimisch ist. Die heimische Europäische Sumpfschildkröte ist gut zu erkennen an den gelben Wangenflecken, während die Rotwangenschmuckschildkröte, wie der Name schon sagt, rot-orangene Wangenflecken zeigt.

 

 

Foto: NABU Büttelborn [ch]
Foto: NABU Büttelborn [ch]

Ein wunderschönes Abendkonzert gaben uns viele verschiedene Singvögel. Markant und mit hellen Tönen wurden wir die meiste Zeit von den Rotkehlchen begleitet, die mit ihrem Gesang ihr Revier abstecken und die Damenwelt beeindrucken möchten. Ein Schwanzmeisen Pärchen gab uns die Ehre sie aus nächster Nähe beobachten zu dürfen.

 

Matthias erklärte noch etwas mehr zum Gesang der Vögel. Dieser für uns so schön anhörende Gesang ist für die Tiere enorm anstrengend und mit großem Stress verbunden. Am Morgen wird z.B. fleißig gesungen, um herauszufinden, ob über Nacht Konkurrenten in das Revier eingedrungen sind. Auch wenn die Vögel einen Partner beeindrucken konnten und mit diesem auch schon dabei sind Junge großzuziehen, müssen sie weiterhin das Revier über das Singen verteidigen, und aufpassen, dass das eroberte Weibchen sich nicht mit einem Eindringling einlässt.

Schnatterente (Foto: naturgucker.de [R.Tichai])
Schnatterente (Foto: naturgucker.de [R.Tichai])
Zwergtaucher (Foto: naturgucker.de [P. Rennemann])
Zwergtaucher (Foto: naturgucker.de [P. Rennemann])

Auf dem Wasser tummelten sich zeitgleich Stockenten, Nil- und Kanandagänse, Blässrallen, ein Pärchen Zwergtaucher und die etwas seltener vorkommenden Schnatterenten. Während der Fortpflanzungszeit verrät der Zwergtaucher seine Anwesenheit häufig durch seinen auffallend langen, schwirrenden Gesang. Beide Geschlechter haben die gleichen Rufe und häufig rufen beide Partner sogar im Duett. Lautmalerisch wird der Ruf als bi-i-i-i-i-i… umschrieben. Die Zwergtaucher machten ihrem Namen alle Ehre, indem sie mehr unter als über Wasser waren. In Büttelborn werden sie daher auch häufig als „Schluppentcher“ bezeichnet.

Graureiher (Foto: naturgucker.de [U. Spolders])
Graureiher (Foto: naturgucker.de [U. Spolders])

In den Bäumen, relativ weit oben, befinden sich Nester von Graureihern, die immer sehr früh im Jahr mit der Brut beginnen. Die Graureiher waren in den 1970er Jahren in Hessen fast ausgestorben. Es wurden sogar noch etwas früher Abschussprämien auf diese angesetzt, da sie als Nahrungskonkurrent des Menschen angesehen wurden und als Fischerei-Schädling. Strenge Winter haben die Bestände weiterhin noch stark dezimiert. Die Einstellung der Jagd und die Ausweisung von Schutzgebieten führten zu einer Erholung der Graureiher und mittlerweile sind sie erfreulicherweise stabiler in ihren Beständen geworden.

 

Der bei uns auch hin und wieder im Winter und Frühling zu sehende Silberreiher (gut zu erkennen an seinem schneeweißen Gefieder) ist bei uns leider aktuell nur auf der Durchreise und brütet bei uns noch nicht. Während die Blicke aufs Wasser gerichtet waren, rundete ein Grünspecht die Impressionen schön ab. 

Foto: naturgucker.de [O. Kroeger]
Foto: naturgucker.de [O. Kroeger]

Nächster Stopp war der Biberdamm am Landgraben. Die Jugendlichen konnten erfahren, warum der Biber überhaupt Dämme baut: Er möchte, wenn er eine Partnerin hat, gemeinsam eine Biberburg für die Jungenaufzucht bauen, die bei allen Wetterverhältnissen einen Ein- bzw. Ausgang unter Wasser hat. Das ermöglicht den Bibern ein unbemerktes Abtauchen ins Wasser bei Gefahr und auch bei Schnee und Eis ohne Probleme ins Wasser zu kommen.

 

Am Landgraben sind zwei Biberdämme hintereinander, ein Hauptdamm und ein Nebendamm. Wenn der Hauptdamm zu viel Wasser staut, reguliert der Biber mit einem Vordamm die Wassertiefe. Die Biber waren lange Zeit in Hessen ausgestorben (schon im 19. Jahrhundert). Das lag teilweise an den vielen Begradigungen der Bäche und Flüsse, sowie auch daran, dass der Biber intensiv bejagt und gegessen wurde. Das sehr wärmende Fell war ebenfalls so beliebt bei uns Menschen, wie sein als Delikatesse geltendes Fleisch. Durch seinen schuppigen Schwanz wurde er früher zu den Fischen gezählt und in der Fastenzeit ganz besonders häufig, als „Fisch“, gegessen. 1987 wurden 20 Tiere im Spessart ausgewildert. Von dort aus konnten sie sich über die Gersprenz im Odenwaldbereich ausbreiten und über den Main und Rhein in verschiedene Richtungen Hessens verteilen. 

Die Spur des Bibers (Foto: NABU Büttelborn [ch])
Die Spur des Bibers (Foto: NABU Büttelborn [ch])

Aber was hat der Biber denn jetzt mit dem Klimaschutz zu tun?

 

Durch das Aufstauen des Wassers verbleibt das Wasser länger in den Bächen und auch die zufließenden Gräben verlangsamen die Fließgeschwindigkeit. Die Pflanzen und Tiere profitieren von der größeren Wassermenge enorm. Auch das Umleiten des Wassers, was manchmal vorkommt, hat viele positive Nebeneffekte. Werden die Bachläufe breiter, vergrößert sich auch die Wasseraufnahmekapazität bei den immer häufiger vorkommenden Starkregenereignissen. Die vor vielen Jahren durchgeführte „Gestaltung“ des Landbachs, wird nun wieder durch den Biber genutzt und die Inseln wieder von beiden Seiten umspült. Im Bereich der Bruchwiesen hier in Büttelborn, verbleibt das Wasser länger in der Fläche, weil die Gräben wenig Gefälle haben und durch die Aufstauung der Biberdämme nur langsam Wasser in den Landgraben ableiten können. Die Bruchwiesen zählen zu den sogenannten Niedermoorböden und diese Bodenstruktur vermag es neben der Bindung von Kohlenstoffdioxid (CO2 ) auch Methan und Lachgas festzuhalten. Diese beiden Verbindungen sind noch viel schädlicher als das CO2 selbst. Wenn die Moorböden trocken fallen oder aktiv durch Entwässerung trocken gelegt werden, gelangen große Mengen des Methans und Lachgases in die Luft bzw. die Atmosphäre und sorgen dann für eine weitere Erwärmung der Erde. Das heißt, wenn das Wasser länger in der Landschaft bleibt, ist das gut fürs Klima und verhindert auch, dass es an den Unterläufen der Flüsse zu extremen Hochwasserereignissen kommt.

Ist der Biber ein Pflanzen- oder Fleischfresser? 

Biber haben große, ihr ganzes Leben weiterwachsende Nagezähne und gehören deshalb zu den Vegetariern im Tierreich. Auf unserem weiteren Streifzug gab es auch einige Fraßspuren, ganz in der Form einer Sanduhr, an unterschiedlichen Baumarten zu sehen. Weiche Hölzer werden hauptsächlich als Nahrungsquelle genutzt und Harthölzer z. B. die Eiche zum Schärfen der Nagezähne. Bäume werden vom Biber hauptsächlich in den Wintermonaten durch Ihre Nagetätigkeit gefällt. Sie möchten an die Knospen und frischen Rindenabschnitte der Bäume, da dort die Nährstoffe eingelagert sind. Da ist es für ihn praktischer den Baum umzulegen, anstelle mit seinen an die 40 kg Körpergewicht den Baum empor zu klettern. Vom Frühling bis zum Herbst reichen die anderen frischen Pflanzen in der Gewässernähe, so dass dann nicht mehr so viele Nagespuren an Bäumen zu finden sind.

Goldammer (Foto: naturgucker.de [T. Moeller])
Goldammer (Foto: naturgucker.de [T. Moeller])

Beim weiteren Radeln gab es mehr zu hören, als zu sehen, dafür sind viele Vogelarten einfach zu schnell unterwegs und zu gut getarnt für ungeübte Beobachter. Eine Goldammer konnten wir ganz nah sehen und auch ihren Gesang: wie-wie-wie-wie hab ich Dich lieb – gut hören. Eisvogel, Zilp-Zalp (der auch zilp-zalp-zilp-zalp ruft) konnten wir gut hören, aber leider nicht sehen.

 

 

Zilpzalp (Foto: naturguccker.de [U. Spolders])
Zilpzalp (Foto: naturguccker.de [U. Spolders])
Foto: NABU Büttelborn [ch]
Foto: NABU Büttelborn [ch]

 

Die botanischen Besonderheiten waren an diesem Abend nur einmal ein Thema. Aktuell in voller weißer Blüte stehend, machte die Schlehe oder auch Schwarzdorn (Prunus spinosa) auf sich aufmerksam. Besonders gut ist sie zu erkennen, da sie blüht, bevor der Laubaustrieb stattfindet. Durch die frühe Blüte, ist sie eine wichtige Nektarquelle für Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Wenn die Schlehe ihre Blätter hat, wird sie von bis zu 70 Schmetterlingsarten zur Eiablage aufgesucht. Ihre echten Dornen bieten Vögeln (z.B. Amseln, Rotkehlchen und Zaunkönig) ein sicheres Versteck und wunderbare Brutmöglichkeiten. Auch der Neuntöter weiß die Schlehe zu schätzen, er benutzt die Dornen als Speisekammer indem er seine erbeuteten Insekten auf den Stacheln aufspießt und erst bei Bedarf verzehrt. Auch der Mensch macht sich gerne die hervorragenden Eigenschaften der Schlehe zunutze, besonders als Gelee, Tee oder Likör.

Schlehe (Foto: naturgucker.de [U. Goenner])
Schlehe (Foto: naturgucker.de [U. Goenner])
Weißstorch (Foto: naturgucker.de [R. Tichai])
Weißstorch (Foto: naturgucker.de [R. Tichai])

Zum Abschluss gab es mit dem Sonnenuntergang noch einen kurzen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung der Storchenpopulation in Büttelborn. Von 1966 bis 1996 gab es keine Störche in und um Büttelborn. Seit 1996 haben wir erfreulicherweise eine enorme Zunahme der Storchenpopulation und in den Bruchwiesen und an der Backsteinhütte auch reichlich Brutplätze für den Adebar. Mittlerweile gibt es zahlreiche Störche die die Bruchwiesen in Büttelborn sogar zur Überwinterung nutzen. Deutschlandweit zählt der Kreis Groß-Gerau sogar zu den Kreisen mit den meisten Brutpaaren. Wenn die Störche zur Überwinterung gen Süden aufbrechen, sind es die Storchenmännchen, die als Erste aus dem Winterquartier in ihre Brutgebiete zurückkehren und versuchen einen guten Brutplatz (Horst) zu ergattern. Durch Schnabelklappern versuchen sie die etwas später eintreffenden Weibchen anzuwerben. Ob es sich um ein Männchen oder Weibchen handelt, kann man am kräftigeren Schabel erkennen, zumindest wenn beide auf dem Nest sitzen. Ansonsten gleichen sich die Gefieder. 

 

Mit vielen schönen Eindrücken, akustisch und optisch, radelten alle mit der untergehenden Sonne wieder nach Büttelborn zurück. [ch 03/22]