Auf der NABU Streuobstwiese steht seit November 2021 ein zweites Bienenhaus neben der bisherigen Bienenkiste. Aber warum sieht es so ganz anders aus?
Die Bienenkiste ist eine weit verbreitete Behausung für eine naturnahe Bienenhaltung nach Demeter Richtlinien. Sie hat viele Vorteile, aber auch ein paar Nachteile, beispielsweise in der Handhabung oder der Überwinterung des Bienenvolks. Daher bin ich immer auf der Suche nach anderen Möglichkeiten, möglichst ohne Abstriche bei den Richtlinien zur naturnahen Imkerei zu machen.
Im Sommer 2021 erzählte mir ein Imkerkollege – er verfolgt die klassische Imkerei zur Honigproduktion – voller Stolz von seiner neu erworbenen „Warré Beute“ (nach ihrem Entwickler Abbé Warré (1867 – 1951) benannt). Sie sei ein Liebhaberstück, sagte er zu mir, nicht zur Honigproduktion, sondern nur zur Bienenbeobachtung gekauft und die Bienen könnten darin Naturwaben bauen. Da wurde ich sofort hellhörig. Ich durfte mir seine "Warré Beute" bald drauf ansehen und war begeistert.
Sie besteht zwar wie die klassischen Bienenbehausungen aus aufeinander gestellten Holzkästen ohne Böden („Zargen“ in der Imkersprache), dazu kommen eine Bodenplatte mit Flugloch, ein kleiner Kasten für die Wärmedämmung sowie ein Dach.
Allerdings werden in die Zargen keine Holzrähmchen mit Wachsmittelwänden als Bauvorgabe für die Bienen gehängt, sondern nur Holzleisten mit Wachsstreifen, so dass die Bienen ihre Naturwaben selbst bauen können – genau so wie in der Bienenkiste.
Ich kaufte mir das von Abbé Warré verfasste Buch „Bienenhaltung für alle“ (die Originalausgabe stammt aus dem Jahr 1948) und fand zu meiner großen Freude eine detaillierte Abhandlung über sein jahrelanges Studium der verschiedensten Bienenbehausungen, die daraus resultierenden Erkenntnisse zur gesunden und naturnahen Bienenhaltung und die Entwicklung seiner „Warré Beute“. Und es dauerte nicht lange, bis ich mir eines dieser Bienenhäuser im Imkerfachhandel für die NABU Streuobstwiese Büttelborn bestellte.
Wie sieht es nun mit den Unterschieden zwischen Bienenkiste und "Warré Beute" aus? Beide Behausungen scheinen praktisch nichts miteinander zu tun zu haben. Es gibt aber doch einige Gemeinsamkeiten.
Die Bienenkiste besteht einfach aus einem länglichen, horizontal aufgestellten Holzkasten, der in zwei unterschiedlich große Bereiche aufgeteilt ist.
2/3 sind für das Brut Nest mit Vorratsbereich (Pollen und Honig) vorgesehen, das hintere Drittel wird im mittleren Frühling geöffnet, um den Bienen weiteren Raum zur Honigeinlagerung zu geben.
Dieser Honig wird im Spätsommer geerntet, der Raum wieder abgetrennt. Die Bienen bauen Naturwaben, das Brutnest wird nicht angetastet.
Die "Warré Beute" bietet in zwei aufeinander gestellten Zargen etwa das gleiche Volumen für das Brut Nest wie die Bienenkiste. Dabei ist sie vertikal aufgestellt, was eher einem natürlichen Bienennest in einer Baumhöhle entspricht.
Auch hier bauen die Bienen Naturwaben und das Brut Nest mit Vorratsbereich wird nicht gestört. Im mittleren Frühling, wenn auf der NABU Streuobstwiese die Obstblüte beginnt, wird eine weitere Zarge zur zusätzlichen Honigeinlagerung zugefügt.
Für mich hat die "Warré Beute" gegenüber der Bienenkiste folgende Vorteile:
Auch wenn die Waben des Brutnests in der "Warré Beute" aufgrund der zwei Zargen unterteilt sind und damit die Kommunikation der Bienen untereinander geringfügig schwieriger vonstattengeht als in der Bienenkiste (eine „Bienenbreite“ liegt zwischen dem Ende der oberen Waben und den Leisten der unteren Zarge), können die Bienen im Winter den Brutbereich besser auf Temperatur halten. In der Bienenkiste hingegen gibt das hintere, leere Drittel immer Kälte ab.
Um das Brutnest in der Bienenkiste zu betrachten, das Schwarmgeschehen zu beurteilen, die Milbenbehandlung durchzuführen oder bei der Honigernte, muss die Kiste aufgestellt und geöffnet werden. Bei vollen Waben wiegt sie jedoch über 40 kg. Ich schaffe das bisher gut, aber es ist trotzdem immer etwas mühsam. Und es bedeutet immer auch eine größere Störung des Bienenvolks.
Bei der "Warré Beute" gibt es an jeder Zarge ein Sichtfenster („Guckloch“), das von außen geöffnet werden kann. Durch eine Plexiglasscheibe können das Brutnest oder auch der Honigbereich eingesehen werden. Die Milbenbehandlung wird von oben durchgeführt, eine zusätzliche Honigzarge wird einfach untergestellt. Aufgrund der Aufteilung dieser Behausung ist das jeweils anzuhebende Gewicht sehr viel geringer als bei der Bienenkiste. Und, die Bienen werden sehr viel weniger gestört.
Ich habe das neue Bienenhaus bereits schon im Herbst 2021 aufgestellt, obwohl natürlich erst im kommenden Frühjahr ein Bienenvolk einziehen kann. Ich möchte, dass es sich in die Umgebung einfügt und auch deren Geruch annimmt. Das Holz ist neu und frisch mit Holzöl gestrichen -das mögen Bienen nicht so gerne. Auch habe ich für die Wärmedämmung nicht die mitgelieferte Pressholzplatte genutzt, sondern geschorene (naturbelassene) Schafwolle. Sie ist meiner Erfahrung nach mit das Beste für die Feuchtigkeitsaufnahme und für den Wärmeausgleich, was uns die Natur bietet (Wolle nimmt das dreifache Eigengewicht an Wasser auf ohne sich nass anzufühlen). Zugegeben, sie riecht noch erkennbar nach „Schaf“, aber das wird bis zum Frühjahr sicherlich etwas nachlassen.
Am schönsten wäre es, wenn unsere bisherigen Bienenkisten-Bienen im Frühjahr schwärmen und der Schwarm sich gleich gegenüber im Kirschbaum auf einem der unteren Äste sammelt. Ich könnte ihn dann sehr leicht einfangen und, schwupps, hätten wir ein zweites Bienenvolk aus eigenem Bestand. Naja, auch eine Imkerin darf mal träumen …
Sicherlich werden wir aber ein zweites Bienenvolk für unsere Streuobstwiese bekommen. Und darauf freue ich mich heute schon.
Die Imkerin Sigrid